Unsere «flimmerfreie» Woche
Erfahrungsbericht von Redaktorin Angela Suter zur «Flimmerpause»
Eine Woche lang verzichtete Angela Suter (37) mit ihrer Familie, Ehemann Daniel (44), Tochter Tamara (9) und Sohn Adrian (5) in der Freizeit auf digitale Medien. Wie gelang ihnen die «Flimmerpause »? Was bewirkte sie?
Einmal vorweg: Ich bin wohl so ziemlich das Gegenteil von flimmerfrei. Wer mich kennt, weiss, dass ich das Handy stets griffbereit habe und Nachrichten eher sofort als später beantworte. Das hat – nicht nur, aber auch – mit meinen Tätigkeiten zu tun. Als Journalistin ist es von Vorteil, wenn man über alles sofort informiert ist. Auch meine unzähligen anderen Ämtli führe ich zu Hause und mehrheitlich auf meinem Handy aus: Koordination von Hallenbad-Angelegenheiten, Vorstandsarbeit für den Ferienspass, Vereinsarbeit für den VBC, die Organisation der Familie und was sonst noch so anfällt. Die schlechte Angewohnheit, das Handy immer griffbereit zu haben, habe ich mir als Hausfrau angeeignet. Denn man hat ja «immer» Zeit, aufs Handy zu schauen und Nachrichten sofort zu beantworten … Organisieren wird mit dem Grösserwerden der Kinder noch wichtiger und auch das geschieht heutzutage übers Handy und unzählige Apps. Die digitalen Medien sind nicht per se schlecht, aber das Immer-erreichbar-Sein ist nicht nur förderlich, denn man wird auch schnell abgelenkt oder von einem Thema weggerissen.
Unsere Kinder dürfen digitale Medien nutzen. Irgendwann schweiften wir vom obligaten «Guetnacht-Gschichtli» ab und erlaubten das Schauen von Filmen oder das Spielen von Games auf dem iPad oder unserem Handy. Dann schlich es sich ein, dass es auch untertags ab und zu benutzt werden darf und schon ist man drin im Teufelskreis! Deshalb entschied ich mich mitzumachen, als der Aufruf zur Flimmerpause kam. Denn es geht für mich auch darum, ein gutes Vorbild für meine Kinder zu sein und ihnen einen guten Umgang mit den digitalen Medien mitzugeben. Ich bin mir bewusst, dass ich bezüglich meiner Handynutzung nicht immer vorbildlich bin – oder hoffentlich bald war.
So schlossen wir vor der Projektwoche einen Vertrag miteinander ab. Wir schrieben Freizeitalternativen auf und Projekte, die wir realisieren möchten. Wir Eltern genehmigten uns Lesefenster für Nachrichten und soziale Medien – ganz verzichten wollten (oder konnten) wir nicht. Aber wir entschieden uns, auf einen bewussteren Umgang zu achten. Vorsorglich habe ich Instagram und Facebook vom Home-Bildschirm gelöscht, damit es nicht zu verlockend war. Die Woche war von meiner Arbeit her aber alles andere als ideal. Fürs Hallenbad musste ich einige Dinge bezüglich der Abstimmung (digital) regeln und beim Theaterspektakel war ich auch für die Presse ziemlich involviert und auf den sozialen Medien unterwegs.
Und los geht’s!
Motiviert und gut organisiert starteten wir am Pfingstmontag. Am schulfreien Tag war es leicht, Alternativen zu finden, denn wir waren zu Besuch bei meinem Schwager. Unsere und ihre Kinder nutzten das schöne Wetter, um die Umgebung in ihrem neuen Zuhause zu erkunden, Trottinett zu fahren und zu spielen. Offiziell setzten wir unseren Startpunkt erst auf den Dienstag an, doch aufgrund des schönen Wetters verbrachten die Kinder den gesamten Abend auch zu Hause draussen und verzichteten so dann doch «unfreiwillig» auf die digitalen Medien, was bereits die erste Diskussion mit sich brachte: «Aber wir wollten doch erst morgen starten …» Leider regnete es anschliessend jeden Tag, das erschwerte die Freizeitbeschäftigung etwas. Schon am Dienstagmittag hiess es: «Mami, was söled mir machä, wänn mir nüd as iPad dörfed? Üs isch soooo langwilig!» Aber es fand sich dann doch noch eine Beschäftigung aus unseren vielen Spielsachen und schon startete die Schule wieder. Im Übrigen sind die Tage von Tamara immer recht gefüllt, da sie täglich bis 16 Uhr Unterricht hat und auch noch diversen Hobbys nachgeht. Ausserdem war sie Teil des Theaterspektakels und da standen diese Woche ausserordentliche Proben an. Neben dem Geburtstagsfest einer Freundin besuchte sie auch noch einen Schulfreund auf dem Bauernhof.
Da Adrian erst im kleinen Kindergarten ist, hat er noch etwas mehr Freizeit. Die füllten wir – auch nicht aussergewöhnlich – mit Abmachen mit seinen Freunden. Er spielte bei uns oder bei seinen Freunden, wir gingen auf den Spielplatz und mein persönliches Highlight: Wir spazierten bei Regen zum Bach in unserer Strasse. Am Samstag am Flohmarkt durfte er sich ein neues Spielzeug aussuchen und er entschied sich für eine Holzkugelbahn, die man flexibel aufbauen kann und die natürlich auch gleich am Wochenende ausprobiert werden musste.
Das iPad etwas vermisst Die Abende füllten wir mit Spielen, dem Aufräumen des Basteltisches, der es schon lange nötig hatte, und dem obligaten Geschichtenerzählen vor dem Ins-Bett-Gehen – das es eigentlich immer gibt. Wir spürten nicht, dass das Einschlafen einfacher gegangen wäre oder dass sie ruhiger schliefen. Auch das Verlangen nach dem iPad wurde von Tag zu Tag weniger. Dennoch meinte Adrian zum Schluss: «Mir war manchmal etwas langweilig. » Und Tamara ergänzte: «Ich habe das iPad schon etwas vermisst. » Aber toll fanden sie alles, was wir machten – Lesen, Spielen, Abmachen.
Am Wochenende war das Verzichten etwas schwieriger, aber aufgrund des Theaterspektakels und bei Adrian dem Pfadinachmittag mit den Biberli war mindestens der Samstag auch schon gut gefüllt. Am Sonntag machten wir dem schönen Wetter zuliebe eine Velotour ins Euthal und brätelten. Auf dem Nachhauseweg mussten wir mehrere Pausen einlegen und auf einer solchen entdeckten wir zwei Marienkäfer. Ich stellte fest, dass es schon sehr lange her war, dass ich ein Marienkäferli gesehen hatte und das stimmte mich nachdenklich.
Für Erwachsene schwieriger als für Kinder Was ich während der gesamten Woche feststellen musste, war, wie digital unser Leben bereits ist. Auch wenn man seinen Handykonsum einschränkt, es geht eigentlich nicht mehr ohne. Kaum eine Autofahrt funktioniert noch ohne Bildschirm – mindestens mit Google Maps auf dem Handy. Der Fitnesscenterbesuch ist auch nicht mehr analog – auf dem Fahrrad kann ich durch eine wunderschöne digitale Landschaft fahren. Nicht einmal der Geigenunterricht klappt ohne digitale Medien, denn Lernvideos auf YouTube unterstützen beim Üben.
Es war nicht wirklich die beste Woche für eine flimmerfreie Woche. Für mich zeigte sich, dass es nicht besser ist, das Handy untertags möglichst wegzulegen. Meine To-do-Liste füllt sich bis zum Abend immer mehr und wird nicht wie gewohnt abgearbeitet. So bleibt am Abend mehr zum Abarbeiten und weniger Freizeit. Aber ich habe mein Bestes gegeben und meinen Konsum für mich reflektiert. Unglaublich, wie viele Newsletter ich abgemeldet habe, die ich sowieso nie lese. Auch habe ich an meinem Handy einige Einstellungen überdacht und unnötige Benachrichtungen entfernt. So konnte ich meinen Handykonsum um fast 40 Prozent senken im Vergleich zu letzter Woche.
Wir haben zum Abschluss der Woche unseren Konsum reflektiert und neue Regelungen getroffen. Ich nehme für mich das Gefühl mit, dass ich nicht immer jede Nachricht sofort beantworten muss. Und dass das Handy bewusster eingesetzt werden soll. Ich möchte für mich beibehalten, das Handy morgens erst hervorzunehmen, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Für gewisse Arbeiten werde ich den Fokusmodus beim Handy aktivieren, damit ich ungestört bin. Und ab und zu das Handy ganz weglegen. Ich möchte mehr Freizeit aktiv mit den Kindern verbringen und vielleicht bald wieder einen Marienkäfer entdecken!