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«Längst herrscht auch im Bezirk Einsiedeln Wohnungsnot»

«Längst herrscht auch im Bezirk  Einsiedeln Wohnungsnot» «Längst herrscht auch im Bezirk  Einsiedeln Wohnungsnot»

Die SP Einsiedeln hat eine Initiative für die Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum im Bezirk lanciert. SP-Präsident Johannes Borner steht Red und Antwort zur Wohnungsnot im Klosterdorf und in den Vierteln.

Wie ist Ihre Initiative angelaufen?

Der Startschuss für das Sammeln von Unterschriften ist gefallen: Wir wollen das notwendige Quorum von mindestens 300 Unterschriften bis im Herbst erreichen und dann im Oktober die Initiative beim Bezirk einreichen. Dieser wird mit der Initiative dazu angehalten, Rahmenbedingungen zu schaffen und Massnahmen zu ergreifen, die zur Förderung und Realisierung von bezahlbarem Wohnraum im Bezirk Einsiedeln führen. Was bedeutet «bezahlbarer Wohnraum»? Die Anforderungen von bezahlbarem Wohnraum sind erfüllt, wenn die Bauherrschaft eine Organisation des gemeinnützigen Wohnungsbaus im Sinne der Wohnraumförderungsverordnung ist oder sich die Bauherrschaft für die Erstellung, die Vermietung oder den Verkauf von Wohnraum zur Einhaltung der Anforderungen des Wohnraumförderungsgesetzes verpflichtet. Rahmenbedingungen für bezahlbaren Wohnraum sollen vom Bezirk in Anlehnung ans Gesetz konkretisiert werden. Innovative Wohnformen, die einer dauernden Kostenmiete (effektive Kosten, Rückstellungen, Amortisationen) unterliegen, sollen auch als bezahlbar gelten. Was sind die nächsten Schritte nach der Einreichung der Initiative im Oktober?

Zuerst muss der Bezirk über die Rechtmässigkeit der eingereichten Initiative befinden. Ist diese erfolgt, hat er ein Jahr Zeit, die Initiative zu behandeln und sie schliesslich an die Urne zu bringen. Die Urnenabstimmung über die Initiative könnte im Oktober 2025 über die Bühne gehen.

Als wie akut schätzen Sie die Wohnungsnot im Bezirk Einsiedeln ein?

Die Lage auf dem Einsiedler Wohnungsmarkt spitzt sich zu. Es fehlt an Wohnraum, besonders an bezahlbaren Wohnungen. Letztere sind für eine gesunde Dorfentwicklung mit einer nach Alter und sozialem Status ausgewogenen Bevölkerungsstruktur wichtig. Betroffen von den stark steigenden Mieten sind vor allem junge Erwachsene, Familien und Personen mit tiefen Einkommen und Renten: Sie können sich Wohnungen im Bezirk kaum mehr leis-ten. Finden sie keinen bezahlbaren Wohnraum, sind sie gezwungen wegzuziehen, auch Einheimische.

Wie hoch ist der Leerwohnungsbestand im Bezirk Einsiedeln? Die Leerstandsquote bei den Mietwohnungen liegt bei tiefen 0,33 Prozent. Der Wohnungsbau konnte in den vergangenen Jahren nicht mit dem Bevölkerungswachstum mithalten. Zudem verschwindet in Einsiedeln günstiger Wohnraum: Hohe Renditeerwartungen und schlechte Bausubstanz sind die Gründe. Die Mieten sind in den letzten fünf Jahren um rund zwölf Prozent gestiegen, die Einkommensentwicklung konnte da nicht mithalten.

Was unternimmt der Bezirk gegen diesen Missstand? Der Bezirk schaute dieser Entwicklung bisher untätig zu, obwohl er Instrumente zur Verbesserung der Situation hätte: Bei Gestaltungsplänen und beim Baureglement hätte er bereits heute einen Handlungsspielraum. Deshalb will die SP Einsiedeln den Bezirk mit dieser Initiative zum Handeln auffordern: Die SP fordert, dass der Bezirk Massnahmen ergreift, die zur Umsetzung von bezahlbarem Wohnraum führen.

Welche Massnahmen stehen im Vordergrund? Die planerischen Möglichkeiten sind zugunsten von bezahlbarem Wohnraum zu nutzen. Bei Zonenänderungen (zum Beispiel Bahnhofareal) soll als Auflage ein Teil des neu geschaffenen Bauvolumens zu bezahlbarem Wohnraum werden. Der Augenblick ist günstig, werden doch zurzeit Richtplan und später Nutzungsplan überarbeitet. Das bestehende Baureglement soll zudem so erweitert werden, dass das Schaffen von bezahlbarem Wohnraum gefördert wird (Lockerung Bauvorschriften, Gestaltungspläne etc.). Zudem fordern wir, dass bei den bezirkseigenen Liegenschaften, die nicht mehr für die öffentlichen Aufgaben genutzt werden, für den Bau von erschwinglichen Wohnungen gesorgt wird. Wird mit diesen Massnahmen möglich, dass höher und dichter gebaut werden kann in Einsiedeln?

Das ein mögliches Resultat, da Verdichtung Wohnraum schafft und haushälterischer mit dem Boden umgeht. Grundsätzlich wollen wir einfach, dass Mehrwerte, die bei Umzonungen geschaffen werden, nicht allein beim Bauherr anfallen, sondern auch der Allgemeinheit in Form von bezahlbarem Wohnraum zugute kommen.

Fordern Sie konkret, dass der Bezirk aktiv Wohnungsbau betreibt?

Ja, der Bezirk sollte in dieser Frage eine dynamischere Rolle als bis anhin übernehmen: Er verfügt über Liegenschaften (Schulhaus in Trachslau, Kultur- und Kongresszentrum Zwei Raben, Rathaus), in denen sich Wohnungen realisieren liessen. Dabei muss der Bezirk nicht unbedingt selber bauen, sondern kann von Privaten bauen las-sen. Wir denken, dass der Bezirk auch über den Erwerb von Liegenschaften nachdenken muss.

Wie fällt das Echo bei den Ortsparteien in Einsiedeln auf Ihre Initiative aus? Bis anhin ist bekannt, dass sich auch die FDP Einsiedeln für bezahlbaren Wohnraum einsetzen will: Sie sieht eine Lösung des Wohnproblems in einer Stärkung des freien Marktes. Das ist keine zielführende Massnahme für unser Anliegen. Denn, wie wir jetzt sehen, führt der freie Markt zu höheren Mieten. Wir treffen uns aber mit der FDP dahingehend, dass sich beide Parteien für eine Lockerung des Baureglements einsetzen. Durch weniger Hindernisse wird Bauen attraktiver. Für mehr bezahlbaren Wohnbau braucht es Motivations- und Lenkungsmassnahmen.

In den Städten gelten Genossenschaftswohnungen als Allheilmittel für die Wohnungsmisere. Wie sehen Sie das? Ich sehe das auch so. Es bedingt allerdings, dass Boden vorhanden ist und die Besitzer bereit sind, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Beides ist rar in Einsiedeln. Löbliche Ausnahme zum Beispiel die günstigeren Wohnungen der Genossame Dorf-Binzen in der «Oberen Allmeind » oder die Immobilien der Wohnbaugenossenschaft Familia an der Mythenstrasse. Die Initiative möchte deshalb auch Private motivieren, in diese Rich-tung zu gehen.

Um dem Problem der explodierenden Mieten zu begegnen, haben Städte einen Mietpreisdeckel eingeführt: Wäre das auch in Einsiedeln eine sinnvolle Massnahme? Die Kostenmiete ist schon eine Art Mietpreisdeckel – nur wird in der Praxis die Kostenmiete kaum je durchgesetzt: Das Profitdenken und die Renditeerwartungen gehen über alles, die Mieten steigen munter weiter. Die Kostenmiete funktioniert nur, wenn die Eigenverantwortung wahrgenommen würde. Wir sehen einen Mietpreisdeckel nur als letzte Notmassnahme, wenn die Wohnungsnot zu einer Krise würde.

Soll der Staat Bedürftigen lieber mit einem Mietzinszuschuss direkt helfen, statt billige Wohnungen zur Verfügung zu stellen? Ja, wenn es nicht anders geht. Es ist ein «sowohl als auch». In Einsiedeln ist es schon aus Platzgründen unrealistisch, dass der Bezirk auf die Schnelle billigere Wohnungen zur Verfügung stellen kann. In diesem Sinne ist im Klosterdorf ein Mietzinszuschuss für Bedürftige eine sinnvolle Massnahme.

Wie sieht die Situation beim sozialen Wohnraum im Bezirk Einsiedeln aus? Hier hat der Bezirk die Entwicklung vollends verschlafen und sich komplett passiv verhalten: Mit dem Resultat, dass nun verbreitet sozialer Wohnraum fehlt. Ein Problem liegt auch darin, dass viele Gebäude abgerissen wurden oder werden, statt eine sanfte Renovation in Angriff zu nehmen. Auf diese Weise wurde viel günstiger Wohnraum vernichtet. Jetzt fehlt es an allen Ecken und Enden an Sozialwohnungen.

Wie kommt es bei Ihnen an,dass der Bezirk die Umnutzung des alten Schulhauses in Trachslau an die Urne überweist, nachdem ein Nachtragskredit an der Bezirksgemeinde abgelehnt worden ist? Die Vorlage an der Bezirksgemeinde war meines Erachtens schlecht ausgearbeitet: Nicht zuletzt deswegen gab es viele kritische Stimmen an der Bezirksgemeinde zum Nachtragskredit. Eine erneute Auflage des Vorhabens dürften einige als Zwängerei bezeichnen. Die neue Vorlage bietet aber mehr finanzielle Transparenz, und der Druck auf den Bezirk, Wohnungen für Sozialhilfeempfänger und Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen, nimmt nur zu. Tut er das nicht oder ist er nicht in der Lage hierzu, wird es schnell einmal sehr teuer: Dann müsste der Bezirk jährlich einen Millionenbetrag als Strafe bezahlen. Diese Mittel können wir besser einsetzen. Deshalb glaube ich, dass die Vorlage an der Urne eine echte Chance hat.

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