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Wie weiterbauen in den Dorfkernzonen?

Wie weiterbauen in den Dorfkernzonen? Wie weiterbauen in den Dorfkernzonen?

6. Podiumsgespräch zur Baukultur im Kanton Schwyz anlässlich der Denkmaltage in der Stiftung Bibliothek Werner Oechslin in Einsiedeln

Am 5. September ging im gut gefüllten Lesesaal der Bibliothek Werner Oechslin ein Podiumsgespräch über die Bühne, das von der Denkmalpflege des Kantons Schwyz, dem Schweizer Heimatschutz, dem Architektur Forum Schwyz und der Stiftung organisiert worden ist.

Mitg. Bauen unterliegt dem Regelwerk der jeweiligen Baugesetze. In den historisch gewachsenen Ortskernen gelten jedoch noch weitere Kriterien, die mit Vorschriften und Einschränkungen einhergehen können. Sie sind im ISOS – Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz – und in den vom Bezirk erlassenen Leitbildern enthalten.

Die Architektin Monika Imhof-Dorn, Sarnen, langjähriges Mitglied der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission ENHK und seit dem Jahr 2019 Vorstandsmitglied des Schweizer Heimatschutzes, erläuterte die Zielsetzungen des in den 70er-Jahren entwickelten und ab den 80er-Jahren in Buchform erschienenen Bundesinventars ISOS (heute abrufbar auf dem Geoportal des Bundes: https://www.gisos.bak.admin. ch/sites). Das Inventar erfasst zwar auch Einzelbauten, stellt diese jedoch in den grösseren Siedlungszusammenhang von Quartieren, einzelnen Strassenzügen und dergleichen. Das ISOS bezieht sich auf das Dorf in seiner Gesamtheit und präsentiert in diesem Rahmen umfassende Analysen des Baubestandes. Es geht um das Dorfbild, und deshalb sind es auch Leitbilder, an denen man sich orientieren kann und soll. Baukulturelle Werte erkennen

Das Ziel des ISOS ist es, zuhanden der Behörden baukulturelle Werte zu erkennen und langfristig zu sichern. Am Beispiel des ISOS Einsiedeln (1990) erläuterte Monika Imhof die Schutzziele A (Erhalten der Substanz) und B (Erhalten der Struktur), zeigte dann mehrere gelungene Beispiele «angepasster» Neubauten in Ortskernzonen und endete provokant mit einem die bestehende Bauweise sehr modern neu interpretierenden Betongebäude an der Bahnhofstrasse in Aarau.

Der Raumplaner Roland Tremp, Chur, der seit Jahren Behörden – so auch in Einsiedeln – bei Fragen der Raumentwicklung berät, stellte nach einleitenden Bemerkungen zum ISOS, dessen Umsetzung durch die Gemeinde Voraussetzung für die Leitbildvorstellung sind, insbesondere seine Kriterien und Methoden vor, die lange Verfahren beschleunigen, aber auch grundsätzlich das Verständnis für die Fragen der Pflege und Erhaltung von Bausubstanz im Vorfeld von Entscheidungen befördern soll.

Einsprachen zuvorkommen Um langwierigen Auseinandersetzungen und Einsprachen zuvorzukommen, sollen in Werkstattgesprächen mit Teilnahme von Bauherrschaft, Architekt und Verwaltung und Zuzug von Fachleuten Voraussetzungen geklärt und de facto Projekte nach definierten Kriterien – unter anderem Gebäudesituierung, Volumen, Dachformen, Fassadengestaltung, Materialisierung und Aussenraum – gemeinsam beurteilt und entwickelt werden.

Tremp legte Tabellen vor, in denen solche Abläufe von vier relativ dicht aufeinanderfolgenden Werkstattgesprächen skizziert sind, die zur Baueingabe führen und Bewilligungen erleichtern sollen. Es betrifft dies insbesondere Bauprojekte in den Kernzonen und den ISOS-Gebieten mit Schutzziel A. Dieses Verfahren wird in Lachen seit Oktober 2022 durchgeführt. Der Referent erläuterte die daraus entstandenen Vorteile.

Daniel Limacher, Hasler Limacher Architekten, Einsiedeln, stellte das Ersatzneubauprojekt für das Haus Schlüssel in Oberiberg vor, das sich zurzeit im Bau befindet. Ein Projekt von Müller Verdan Architekten Zürich, die im Jahr 2021 ähnlich wie in Aarau einen modernen Betonbau vorgesehen hatten, war zuvor in der Presse auf heftige Kritik gestossen und hatte zum Wechsel des Architekturbüros geführt. Franz-Xaver Risi moderierte die Podiumsdiskussion Das nun vorgestellte, neue Nachfolgeprojekt lehnt sich in Form und Materialität an den Vorgängerbau an, ermöglichte zudem die Verbreiterung des Trottoirs und den Einbau eines neuen Gewerberaums. Interessant waren diesbezüglich auch die weiteren Ausführungen zu den ganze zwei Jahre dauernden Verhandlungen mit Gemeinde und Behörden zwecks Ausnahmen wie der Einrichtung einer Wohnung anstelle eines Saals im Obergeschoss; schliesslich konnte alles gelöst werden.

In der anschliessenden lebendigen Podiumsdiskussion, die von Franz-Xaver Risi, dem Kulturbeauftragten des Kantons moderiert wurde, kamen insbesondere die Werkstattgespräche und deren Vorteile zur Sprache, wobei moniert wurde, dass die Schwyzer Denkmalpflege sich von diesen zurückgezogen habe. Die anwesende kantonale Denkmalpflegerin Monika Twerenbold begegnete der Kritik mit dem Verweis auf die fehlenden Kapazitäten der Schwyzer Denkmalpflege. Ein Nachredner äusserte, sie seien vollkommen unterdotiert.

Es fehlen Ortsbildkommissionen Der Kanton habe von Anfang an mitgeteilt, dass die Gemeinden sich um die Herbeiziehung entsprechender Fachleute zu kümmern haben, was nun wohl allerorts geschehen muss. Werner Röllin beklagte das Fehlen von Ortsbildkommissionen. Franz-Xaver Risi kam auf die grundsätzlichen Fragen zurück, wie man ganz allgemein das Inter-esse in der Bevölkerung an Baukultur und Erhaltung historischer Gebäude wecken könne, wie es ja der Bund durch seine Unterstützung der Davoser Erklärung ausdrücklich wünscht.

Es führte zur Frage, ob nicht bereits im Kindesalter und in der Schule mit der Sensibilisierung für Baukultur begonnen werden müsse. Monika Twerenbold verwies diesbezüglich auf entsprechende laufende Bemühungen und Forschungen an der Pädagogischen Hochschule Schwyz: Dort ist auch das Jugendprogramm für die im Rahmen des Denkmaltages organisierte Führung im Bahntunnel in Ingenbohl konzepiert worden. Man konnte also feststellen, dass vieles – trotz mancher Engpässe – auf gutem Weg ist. Beim abschliessenden Apéro hatten die Teilnehmer die Möglichkeit zu weiteren Diskussionen.


In früheren Zeiten gab es in Einsiedeln weder Regeln noch Baureglemente: Es wurde abgebrochen und beliebig verändert und neu gebaut – auch an sensiblen Stellen in der Kernzone.

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