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Kirchenburgen – wie europäische Kultur vor dem Zerfall gerettet wird

Kirchenburgen – wie europäische  Kultur vor dem Zerfall gerettet wird Kirchenburgen – wie europäische  Kultur vor dem Zerfall gerettet wird

Mit der kompakten und informativen Ausstellung «Kirchenburgenlandschaft Siebenbürgen – ein europäisches Kulturerbe» dokumentiert das Museum Fram ein bisher wenig bekanntes Thema europäischer Geschichte.

«Ein feste Burg ist unser Gott» – diese Worte Luthers und das gleichnamige Kirchenlied kommen einem in den Sinn, wenn man die Luftaufnahmen der siebenbürgischen Kirchenburgen sieht. Gleichzeitig erscheinen die Bauten in der sanften Hügellandschaft im Herzen Rumäniens wie eine verwunschene Märchenwelt Die Wehrtürme, die gleichzeitig Kirchentürme sind, haben ihren Bollwerkcharakter über die Jahrhunderte bewahrt, auch wenn die Mauern heute bei vielen rissig und die Dächer voller Löcher sind. Ein Grossteil der früheren Bevölkerung der Siebenbürger Sachsen lebt heute im Ausland, die meis-ten in Deutschland, Österreich und sogar in der Schweiz.

Vereinsgründerin in Siebenbürgen geboren Marianne Hallmen, die Gründerin und Vorsitzende des Vereins der Siebenbürger Sachsen in der Schweiz, begrüsste die zahlreichen Vernissage-Besucher am vergangenen Samstag im Fram-Museum. Sie selbst wurde in Siebenbürgen geboren und wanderte mit 13 Jahren mit ihrer Familie aus, wuchs in Südtirol auf und studierte in Venedig Architektur. Danach kam sie an die ETH, wo sie Werner Oechslin kennenlernte und dadurch mit Einsiedeln in Kontakt kam.

2014 gründete sie den Verein, der heuer sein 10-Jahres-Jubiläum feiert. Hallmen dankte allen Mitwirkenden für ihre Unterstützung und erinnerte an die zahlreichen Projekte, die heute Hermannstadt (rumänisch Sibiu) und Einsiedeln verbinden. Unter anderem führt die Klosterschule einen Schüleraustausch mit einem Herrmannstädter Gymnasium.

Die regen Kontakte mit Siebenbürgen und das Vereinsjubiläum gaben auch den Anlass für eine viertägige Rumänienreise des Bezirksrats, von der Bezirksammann Hanspeter Egli berichtete: Er berichtete von der wunderschönen Landschaft Siebenbürgens, den pulsierenden Städten und zahlreichen positiven Begegnungen mit der gastfreundlichen Bevölkerung. Auch die beiden Botschafter Bogdan Mazuru (Rumänien) und Michael Flügger (Deutschland) richteten ihre Grussworte an die Besucher und machten auf die Bedeutung der Kirchenburgen als europäisches Kulturerbe aufmerksam.

Freiheitsbrief der Siebenbürger Sachsen Danach führte Philipp Harfmann, der Geschäftsführer der Stiftung Kirchenburgen, in die Ausstellung ein. Er umriss kurz die jahrtausendalte Geschichte der Siebenbürger Sachsen. Die deutschen Kolonisten, die ab dem 12. Jahrhundert von der ungarischen Krone am Ostrand des Reiches angesiedelt wurden, erhielten grosszügige Privilegien und sollten im Gegenzug das Land urbar machen und mussten dem König Soldaten stellen.

Harfmann machte bei dieser Gelegenheit auf die Ähnlichkeiten zwischen dem «Goldenen Freibrief», der den Siebenbürgern 1224 von König Andreas II. ausgestellt wurde, und dem eidgenössischen Bundesbrief aufmerksam. Tatsächlich finden sich darin ähnliche Passagen, zum Beispiel zur unabhängigen Gerichtsbarkeit, und die Autonomie der Siebenbürger Sachsen ging tatsächlich sehr weit. Nur dass sich die Eidgenossen im Bundesbrief selbst ihre Eigenständigkeit und den gegenseitigen Beistand erklären, während den Siebenbürgern ihre Rechte vom König verliehen wurden.

Durch die Einfälle vonseiten der Mongolen und der Osmanen wurde der Ausbau der Kirchenburgen nötig. Aus einfachen Basiliken entstanden kleine Festungen mit hohen Mauern. Laut Harfmann existieren heute noch zirka 160 solcher Anlagen auf einem Gebiet von rund 20’000 Quadratkilometern. Je reicher eine Stadt gewesen sei, umso stärker seien die Befestigungsanlagen. Da die Burgen bei Überfällen erster Fluchtpunkt gewesen seien, ständen sie immer im Ortszentrum, wo alle Strassen zusammenführen.

Auswanderung und Zerfall im 20. Jahrhundert Trotz der wechselvollen Geschichte prosperierte Siebenbürgen wirtschaftlich und konnte seine Autonomie über Jahrhunderte weitgehend bewahren. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg und während des Sozialismus wurde die alte Kultur praktisch zerstört. In mehreren Auswanderungswellen sank die Population der Siebenbürger Sachsen von etwa einer Viertelmillion auf rund 10’000 Personen.

Die Abwanderung sowie die wirtschaftlichen Probleme führten auch zu einem weitgehenden Zerfall der Kirchenburgen. Wie Harfmann berichtete, kam es in einigen Fällen sogar zum Einsturz ganzer Bauten. Andererseits sorgt die Stiftung Kirchenburgen durch ihr Engagement dafür, dass heute ein Grossteil der Bauten erhalten und sogar renoviert werden kann. Dabei wird soweit möglich auch das teils kostbare Inventar gerettet. Als grosse Chance für das Projekt wurde ein sanfter Tourismus in Form von Gastronomie, Begegnungsräumen und Gästehäusern entdeckt. Auf rund einem Dutzend schön illustrierter Plakate wird die reiche Geschichte der Siebenbürger Sachsen und ihrer Bauten sowie die Tätigkeit der Stiftung präsentiert. Die europäische Verständigung und der wirtschaftliche Entwicklungsschub, der heute in Siebenbürgen und in anderen Teilen Rumäniens vor sich geht, bringt Hoffnung für eine Region, die lange Zeit durch Diktatoren, Kriege und ethnische Konflikte geschunden und fast entvölkert wurde.


Die Geschichte der Siebenbürger Sachsen sowie die Tätigkeit der Stiftung Kirchenburgen werden in der Ausstellung dargestellt.

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